CD jw 206 HÜBSCH SCHUBERT WIERBOS
THE LONGRUN DEVELOPMENT OF THE UNIVERSE #5
FOR MISHA

CARL LUDWIG HÜBSCH tuba & voice
MATTHIAS SCHUBERT tenor saxophone
WOLTER WIERBOS trombone

EN
In 1994 I was invited to attend the October Meeting in Amsterdam, which was traditionally grouped around members of the ICP ensemble plus invited guests from abroad.
Being a rather late bloomer, I was pretty new to the whole scene and the whole scene didn’t know much about me either. In Amsterdam I found myself playing amongst heroes like Henry Threadgill, Giancarlo Schiaffini and Jacques Demierre, along with such Amsterdam based celebrities as Michael Moore, Han Bennink, Ab Baars and – of course – Misha Mengelberg. All guests had been invited to bring a composition for the whole ensemble, but I was actually too shy to bring in a composition. I thought nobody would want to play a composition by an unknown young German tuba player.
Misha’s composition, however, was a direct result of a previous ICP Japan tour: A super short, exaggerated Japanese or rather Asian cliché piece, maybe more a signal than a piece, and the way we had to deal with it was just open, whoever would call it would call it – or play it.
Some time later I witnessed a performance of the ICP ensemble in Cologne. The group’s performance was imbued with a positive, bold and immediate spirit of musical interplay. Every moment of the concert was of a radical preciosity. And my personal highlight was Misha’s beautifully understated singing of ‚De Sprong, O Romantiek der Hazen‘. Ever since I have hoped to perform that piece once myself.
For me, the collaboration with Wolter Wierbos in my trio means a vivid connection to this light but never superficial understanding of play and performance, which I attribute to the Dutch improvisation ’school‘. Matthias Schubert had proposed Wolter to me as the third member of the group. Matthias himself is able to turn any external impulse into music and, vice versa, to extend his musical activity far beyond the limitations of playing the right notes on his horn on a stage.
And that’s what we all like to do. We all are very – at times hyper – active players in this trio and we enjoy questioning any limits. Where does the music end, where does it start? How rough can it get? How sweet and cheesy can we take it? In what kinds of musical space do we celebrate? These are just some of the questions we are dealing with, maybe I should just call it ‚playing‘. Of course the compositions that I write usually address one or more of such questions, too.
Ultimately, after 20 years of the existence of ‚The Longrun Development of the Universe featuring Matthias Schubert and Wolter Wierbos‘ and after Misha’s departure to another world, I felt it was time to dedicate a CD to him, to play some of his compositions. I believe he would have enjoyed the fact that we apply our adventurous spirit to his music. At least Wolter says Misha would have liked it, and Wolter should know.
Thanks for your listening. Carl Ludwig Hübsch, February 2020

DE
Im Jahr 1994 wurde ich eingeladen, am October Meeting in Amsterdam teil zu nehmen. Dieses Festival präsentierte üblicherweise Mitglieder des ICP Ensembles und auswärtige Gäste, die zusammen arbeiteten und zwei oder drei Konzerte gaben.
Als Spätentwickler war ich damals, mit 28 Jahren, noch immer neu in der Improvisations-Szene. Keiner kannte mich und ich kannte auch kaum jemanden. Und so fand ich mich in Amsterdam unversehens an der Seite von Ikonen wie Henry Threadgill, Giancarlo Schiaffini oder Jacques Demierre wieder und in bester Gesellschaft von Amsterdamer Größen wie Michael Moore, Han Bennink, Ab Baars und eben – Misha Mengelberg. Alle Gäste waren eingeladen worden, eine eigene Komposition beizusteuern, aber ich war dafür leider zu schüchtern. Wer würde schon ein Stück von einem unbekannten jungen deutschen Tubisten spielen wollen…
Mishas Komposition für das October Meeting war ein Mitbringsel von einer vorangegangenen Japanreise: Einige kurze Versatzstückchen übertriebener asiatischer Klischees. Und genauso unbefangen wie Misha komponiert hatte, wurde mit dem Material umgegangen: auf vielfältigste Art und Weise frei und unbekümmert,
Einige Zeit später sah ich das ICP Ensemble in Köln spielen und war von der positiven und immer völlig direkten Unbekümmertheit dieser Musiker zutiefst beeindruckt. Es war wie ein Geheimnis, was da auf der Bühne zelebriert wurde, und bei aller Leichtigkeit hatte ich dennoch das Gefühl, dass dies eine sehr tief gehende Musik war, die da gespielt wurde. Jeder Moment des Konzertes schien mir von radikaler, unwiederbringlicher Kostbarkeit. Mein persönliches Highlight war Mishas Gesang bei ‚De Sprong, O Romantiek der Hazen‘. Seit diesem Konzert hoffte ich, dieses Stück einmal selber spielen zu können.
Wolter Wierbos ist als Teil meines Trios eine lebendige Verbindung zu jener leichten aber niemals oberflächlichen Art des Spiels, für das die ‚Holländische Schule‘ so bekannt ist. Matthias Schubert hatte Wolter ursprünglich als dritten Mann vorgeschlagen. Und Matthias selbst ist ein Musiker, der jeden noch so außermusikalischen Impuls direkt in Klang umzusetzen vermag und der – umgekehrt – seine Musikalität weit über den Horizont geeigneter Töne an der richtigen Stelle ausdehnt.
Und das ist es auch, was uns drei verbindet: Wir alle sind sehr aktive, manchmal hyperaktive Spielernaturen und lieben es, Grenzen aktiv zu hinterfragen. Wo hört die Musik auf, wo fängt sie an? Wie hässlich, wie rau wird unser Spiel werden? Gibt es Grenzen der Lieblichkeit, die breit getreten werden können? In welchem musikalischen Raum setzen wir die geschriebenen Vorgaben um? Solcher Art sind die Fragen, mit denen wir uns spielend und improvisierend beschäftigen und auch die Kompositionen, die ich für dieses Trio schreibe, thematisieren solche Aspekte.
Nach zwanzig Jahren ‚Hübschs Langfristiger Entwicklung des Universums featuring Matthias Schubert und Wolter Wierbos‘ und nach Mishas Aufbruch in eine ganz andere Welt fand ich nun, dass es an der Zeit sei, ein paar seiner Stücke zu spielen und ihm diese CD zu widmen.
Ich glaube, Misha Mengelberg hätte unsere Art, mit seinen Stücken umzugehen, gemocht. Zumindest sagt Wolter, dass es Misha gefallen hätte, und der muss es wissen.
Viel Spaß beim Hören. Carl Ludwig Hübsch im Februar 2020

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