CD jw 170 URS LEIMGRUBER & ANDREAS WILLERS
PALE WHITE SHOUT

URS LEIMGRUBER soprano & tenor saxophones
ANDREAS WILLERS electric guitar

DE
FIRST CONTACT MIT GESPITZTEN OHREN
Geräusche formen sich. Leise. Ganz allmählich. Ein Klirren. Ein Zirpen. Ein Rauschen. Pfeifen. Scharren. Sie verdichten sich. Steigern sich rhythmisch. Weiten den Raum. Und dann: Vertraute Gestalten entstehen. Klänge. Leer angeschlagene Gitarrensaiten lassen sich identifizieren. Töne eines Sopransaxophons zeichnen sich ab.
Ein sanfter Sog von Geräuschen, die Musik werden. Die Musik sind. Das ist in diesen Aufnahmen zu erleben. Sie entstanden bei der ersten Konzertbegegnung zweier herausragender Improvisationsmusiker aus Europa: Andreas Willers, geboren 1957 in Norddeutschland, und Urs Leimgruber, geboren 1952 in der Schweiz.
Sie trafen aufeinander in der Nähe von München, in der KÜNSTLERWERKSTATT in Pfaffenhofen an der Ilm. Dieser Jazzspielort ist wirklich eine Werkstatt – eine höchst inspirierende noch dazu. Ein altes gelbes Haus auf einer wilden grünen Wiese gleich bei der Bahntrasse. Der größte Raum in diesem Haus beherbergt eine Schreinerei mit Schleif- und Sägemaschinen. Er riecht nach Holz, nach feinen Spänen. An Konzertabenden (die dort regelmäßig seit Jahren stattfinden) laden zerschlissene Sessel und Sofas vom Flohmarkt zum Verweilen ein.
Eine Werkstatt der hochkonzentrierten Sound-Suche machten Willers und Leimgruber an jenem Abend im Sommer 2014 daraus. Dieser first contact zweier Musiker, die zwar viele Aufnahmen voneinander kannten, aber noch nie miteinander Musik gemacht hatten, kam ohne Absprachen, ohne musikalischen Fahrplan aus. Ein Gitarrist mit E-Gitarre, Effektgeräten und ungewöhnlichen Hilfsmitteln wie etwa einer sogenannten Krokodilklemme (Musik-Idee aus dem Baumarkt), die sich an Gitarrensaiten befestigen lässt, um Geräusche zu erzeugen. Ein Saxophonist mit Tenor- und Sopransax, Instrumenten, bei denen das perkussive Tocken der Klappen und gurgelndes Kondenswasser ebenso zum Einsatz kommen wie herkömmlich erzeugte Töne. Die beiden Musiker lassen Momente auf sich zukommen; tasten sich mit leisen Tönen aufeinander zu; und lauschen, was der andere macht.
Ergebnis: ein Abenteuer. Eine Reise ins Nicht-Gekannte. Ein Locken und Verlocken. Ein Entdecken von Tönen und Bewegungen im Raum, die sich umschleichen und Tänze miteinander vollführen. Minute für Minute Überraschungen – bei einem dennoch völlig organischen Zusammenwirken. Manchmal nehmen die Töne Fahrt auf, ballen ihre Energie. Und dann wieder: Annäherung an die Lauschgrenze. Fragile Formen aus Klang, spontan gefertigt im Duft von Holzstaub in einer Werkstatt der Phantasie: die ganz eigene Poesie einer musikalischen Begegnung. Andreas Willers und Urs Leimgruber: ein Aufeinandertreffen gespitzter Ohren. Roland Spiegel

EN
‘SHARP EARED FIRST CONTACT
Emerging sounds. Softly. Bit by bit. A clang. A chirp. A hiss. Soughing. Pawing. They are thickening. Raising rhythmically. Widening the room. And then: familiar, more toneful shapes come into being. Open plucked guitar strings become identifiable. A Soprano saxophone starts to map notes clearly.
A soft undertow of sounds that become music. That are music. This can be experienced in these recordings. They came about during the first concert performance of two highly profilic European improvisational musicians: Andreas Willers, born 1957 in Northern Germany, and Urs Leimgruber, born 1952 in Switzerland.
They met close to Munich at the KÜNSTLERWERKSTATT in Pfaffenhofen on the river Ilm. This place for jazz is a real workshop – and a highly inspirational one to boot. An old yellow house on a wild green meadow close to some train tracks. The largest room in this building harbours a joinery with grinders and saw benches. You can smell the wood, the fine shavings. On concert evenings (regular events for quite some years now) tattered armchairs and sofas from the flea-market invite one to relax and spend some time.
On this evening in the summer of 2014 Willers and Leimgruber turned this into a place of highly concentrated sound retrieval. This first contact of two musicians that knew a lot of each other’s recordings but had never played together, made do without prior consultation or musical road map. A guitarist armed with electric guitar, effects pedals and rather unusual aids such as a so-called alligator clip (musical idea from the hardware store) that is attached to guitar strings to create interesting noises. A saxophonist with tenor and soprano sax, instruments, where percussive clanging of the keys and gurgling of condensed water are put to use together with conventional tone production. Both musicians are letting moments happen; carefully moving towards each other with soft notes; and are intensely listening to what the other is doing.
The result: an adventure. A journey into the unknown. Luring and alluring. Discovery of tones and movement in space, sneaking around each other, commencing to dance. Surprises minute by minute – despite a deeply organic collaboration. Eventually the music accelerates, accumulating energy. And then again: approaching the threshold of audibility. Fragile shapes of sound, spontaneously crafted in the scent of the wood dust in a workshop of fantasy: the entirely unique poetry of a musical encounter. Andreas Willers and Urs Leimgruber: a truely sharp-eared meeting. Roland Spiegel

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