CD jw 241 CONNY BAUER
DAS BASSPOSAUNEN

CONNY BAUER bass trombone & electronics

DE
DAS BASSPOSAUNEN: genau darum geht es. Wer Ohren hat, der höre. Mit den ersten Tönen begegnet uns ein ruhiges und zurückhaltendes Spiel. Der Musiker lässt uns Zeit, so dass wir uns in den Klang der Bassposaune einhören können. Conny Bauers warmen Posaunenton, wir kennen ihn von seinem Spiel auf der Tenorposaune, finden wir hier noch ausgeprägter vor.
Beim Hörvergnügen erleben wir Improvisationen durch perfekte Beherrschung des Instrumentes, Mehrstimmigkeit durch Hinzunahme eines durch Bauer erzeugten gesummten Tones, Zirkulartechnik usw..
Das vom Musiker auch live zu erlebende Overdubbing wird hier zur Perfektion getrieben. Das sprüht vor Vitalität, Lebenslust und Witz. Es ist ein großer Spaß zuzuhören.
2017 ergab sich die Möglichkeit im Berliner studioboerne45 seine Improvisationen mit der Bassposaune einzuspielen. Dass sich nun im Jahr 2023, dem Jahr von Conny Bauers 80. Geburtstag und der Überreichung des Albert-Mangelsdorff-Preises an ihn, die Möglichkeit ergibt, diese Einspielungen zu publizieren und zu verbreiten, ist ein Glücksfall und eine Freude für alle Jazzfreunde. Uwe Warnke

EN
THE BASS TROMBONE: that’s exactly what it’s all about. He who has ears, let him hear. With the first notes we encounter a calm and reserved playing. The musician gives us time so that we can listen to the sound of the bass trombone. Conny Bauer’s warm trombone tone, which we know from his playing on the tenor trombone, is even more pronounced here.
During the listening pleasure we experience improvisations through perfect mastery of the instrument, polyphony through the addition of a hummed tone created by Bauer, circular technique, etc.
The overdubbing, which can also be experienced live by the musician, is brought to perfection here. It sparkles with vitality, love of life and wit. It’s great fun to listen to.
In 2017 he had the opportunity to record his improvisations with the bass trombone at studioboerne45 in Berlin. The fact that there is now the opportunity to publish and distribute these recordings in 2023, the year of Conny Bauer’s 80th birthday and the awarding of the Albert Mangelsdorff Prize, is a stroke of luck and a joy for all jazz lovers. Uwe Warnke

DE – Original Liner Notes
DAS BASSPOSAUNEN: genau darum geht es. Wer Ohren hat, der höre. Mit den ersten Tönen begegnet uns ein ruhiges und zurückhaltendes Spiel. Der Musiker lässt uns Zeit, so dass wir uns in den Klang der Bassposaune einhören können. Conny Bauers warmen Posaunenton, wir kennen ihn von seinem Spiel auf der Tenorposaune, finden wir hier noch ausgeprägter vor. Um es gleich zu sagen: es gelingt dem Posaunisten auf außerordentlich variantenreiche Weise, uns für eine Stunde mit seinem Bassposaunensound zu faszinieren.
Die drei Takes auf dieser CD hat Conny Bauer ausschließlich auf einer Kanstul-Bassposaune eingespielt. Im Gegensatz zur Tenorposaune spricht sie etwas schwerer an, die Luftsäule ist größer, der Rohrdurchmesser (die Bohrungen) sind weiter und der Weg zum Schallstück (manche sprechen auch vom Schallbecher) kann über ein Quartventil verlängert werden (ein weiteres Rohr – dadurch klingt der Ton fünf Halbtöne tiefer, eine Quarte also). Das Schallstück hat mit 24 cm einen etwas größeren Durchmesser. All das sorgt bei der Bassposaune für einen noch wärmeren Ton.
Es ist ein erzählender, lyrischer Ton, der sich gelegentlich zum Liedhaften aufschwingt. Rhythmusgetragen entführt er uns in chorale Raffinessen. Kein ‚Hinausposaunen‘, sondern kluge Entwicklung von Gedanken und Ideen. Wir kommen beim Hören in Bewegung – gelegentlich könnten wir tanzen – oder sind wir auf einem Umzug in New Orleans? In diesem Spiel Bauers und seiner Musik verbinden sich Spielfreude mit Einfallsreichtum.
Beim Hörvergnügen erleben wir Improvisationen durch perfekte Beherrschung des Instrumentes, Mehrstimmigkeit durch Hinzunahme eines durch Bauer erzeugten gesummten Tones, Zirkulartechnik usw.. Der in den einzelnen Takes eingeführte Rhythmus, auch durch besondere Blastechniken, Anschlagen des Bleches und Klopfen des Mundstückes mit der flachen Hand usw. erzeugt, wird immer gehalten. Es entsteht nicht ein einziges Mal Hektik. Wie wir es von Conny Bauer kennen, enthält er sich beim Spiel jeglicher Aggressivität. Das vom Musiker auch live zu erlebende Overdubbing [1] wird hier zur Perfektion getrieben. Dabei improvisiert er nicht nur über einfach und mehrfach von ihm eingespielte Posaunentakes – wobei unter anderem ganze Posaunenchöre entstehen – er improvisiert auch zu Melodien, die er eingesungen hat, also zu seiner Stimme. Auch hier entsteht der Eindruck eines kleinen Chores. Das sprüht vor Vitalität, Lebenslust und Witz. Dabei belässt es Bauer aber nicht. Er variiert und improvisiert weiter. Es handelt es sich bei dem zuvor Eingespielten um Melodien die sich verändern und entwickeln dürfen, die über eine Sequenz hinausgehen; es gibt kleine Loops, auf deren Wiederholungen Bauer eine weitere Spur einspielt und schließlich kanonartige Strukturen. Unter Zuhilfenahme von Oktavdopplern, Echos und geschickter Ausnutzung der Stereotechnik (Kunstkopf?) überrascht er uns, rundet er ab, schafft er Vielfalt durch Abwechslung. Es ist ein großer Spaß zuzuhören.
Die drei langen Stücke tragen Namen von Berliner Orten, die Conny Bauer kennt (Dreieck Funkturm) oder bei denen er sich gern aufhielt (Rummelsburger Bucht – ist mittlerweile zugebaut und kein Sehnsuchtsort mehr) oder heute noch gern aufhält (Tempelhofer Feld). Zum Teil waren sie Orte der Muße und der gedanklichen Inspiration. „Das allmähliche Verfertigen der Gedanken beim Gehen“ – in leichter Veränderung eines Kleist-Zitats – ist letztendlich dem Improvisieren nicht unähnlich.
Als es im Jahr 2010 zu einem Revival der Klaus Lenz Big Band kam, wurde Conny Bauer vom Bandleader gefragt, ob er nicht die vierte Posaune und damit eine Bassposaune spielen könne. Warum nicht?! Die Kanstul war schnell besorgt, das Interesse bei Bauer geweckt. 2017 ergab sich dann die Möglichkeit im Berliner studioboerne45 seine Improvisationen mit der Bassposaune einzuspielen. Dabei war es hilfreich, dass Bauer den Schlüssel vom zuvor unbesetzten Studio bekommen und sich über einen Zeitraum von zwei Monaten auf diese Weise in die Bedingungen des Raumes einhören und einfühlen konnte.
Dass sich nun im Jahr 2023, dem Jahr von Conny Bauers 80. Geburtstag, die Möglichkeit ergibt, diese Einspielungen zu publizieren und zu verbreiten, ist ein Glücksfall und eine Freude für alle Jazzfreunde. Uwe Warnke

[1] Im Jazz tauchte die Technik des Overdubbing erstmal 1941 durch Sidney Bechet (1897 – 1959) auf, der bei der Studioaufnahme zu Sheik of Araby alle sechs Instrumente nacheinander selbst spielte (für RCA)

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