CD jw 151 ERNST-LUDWIG PETROWSKY, USCHI BRÜNING + MICHAEL GRIENER
EIN RÉSUMÉ
ERNST-LUDWIG LUTEN PETROWSKY alto saxophone, piano, clarinet & voice
USCHI BRÜNING vocals
+ MICHAEL GRIENER percussion
DE
Sie sind bei diesen Aufnahmen ganz nah beieinander, fast gewinn man den Eindruck, sie sind sich noch näher gekommen. Und sie nehmen den, der zuhört, ein Stück mit hinein in diese Vertrautheit, weshalb ich mir hier mit ihrem Wohlwollen erlaube, über Uschi und Luten zu schreiben. Liner Notes sind weder Waschzettel noch Werbetexte. Wenn sich dennoch etwas Lobpreisendes in diese Zeilen einschleicht, so deshalb, weil mich dieses Album sehr berührt. Es geht so tief, was die beiden da offenbaren. Und weil sie dies ohne Scheu, ohne abzuwägen und auch ohne Schutz tun, wage ich es mit Worten zu beschreiben, die man manchmal im Kopf hat, aber dann doch nicht ausspricht, um nicht sentimental zu wirken. Wovon Luten und Uschi hier künden, was sie spielen und singen ist Ausdruck einer lebenslange Leidenschaft für die geliebte Musik, eines Lebens für- und miteinander und einer große Liebe.
Résumé zählt dem Duden nach nicht nur zu den rechtschreiblich schwierigen Wörtern, sondern auch zu denen, die eine Reihe von Bedeutungen einschließen – die einer knappen Zusammenfassung ebenso wie die einer auf das Wesentliche konzentrierten Aussage oder einer Schlussfolgerung. Luten, der Jubilar, mit achtzig – wie sollte, wie könnte er seine prall gefüllte Musikerbiographie in 47 Minuten zusammenfassen – unmöglich! Und doch gelingt es den beiden, gemeinsam mit Michael Griener, Essenzen aufzuzeigen – im Menschlichen wie im Musikalischen. Mit diesen so unterschiedlich funkelnden, sich reibenden und faszinierend aufscheinenden Miniaturen ist so etwas wie eine neue Kunstform entstanden. Jazz spielt hinein, die wilde Geste des freien Improvisierens, die Besinnlichkeit der Balladen, das literarische Kabarett, ein neutönender Gestus und eine wärmende Melancholie. Und doch ist das Ganze nicht auf einzelne Einflüsse herunterzubrechen. Eben das unterscheidet Jazzmusiker, so sie solche sein wollen, von Kunsthandwerkern. Ich höre in diesen Stücken etwas sehr Eigenes, mitunter auch etwas sympathisch Eigensinniges. Und ich höre sehr viel Jazz, auch wenn er sich manchmal beinahe unter der Oberfläche versteckt. Ich höre Bebop, Cool Jazz und Free Jazz, auch die Stimmen der Soul-Brothers und Soul-Sisters, die Scat Vocals einer Ella, die bluesgetränkten Linien eines Ornette Coleman und Duke Ellingtons „Creole Love Call“. Erst wer all das zu verinnerlichen hat und dem Tross der Epigonen zu entfliehen wusste, ist wirklich frei und zugleich imprägniert mit Jazz.
Die beiden – Luten und Uschi – hatten vor und auch noch während der Aufnahmen Zweifel am Gelingen der Platte. Diesen Punkt überwindend, gestaltete sich das Ganze mit innerer Folgerichtigkeit schließlich wie von selbst. Im Hinblick auf Komponisten der Klassik wurde vom „Wunder des Spätwerks“ gesprochen. Hier nun ist fast nichts im herkömmlichen Sinne komponiert und dennoch öffnet sich vor dem Hintergrund lebenslanger Erfahrungen gerade in der Folge dieser kurzen Stücke und Improvisationen ein weiter Horizont. Michael Griener ist der Dritte im Bunde, der vorantreibt, ergänzt, integriert und relativiert. Ohne ihn hätte die Intimität kein Gegenüber, bliebe der Dialog vielleicht in sich selbst befangen. Immer wieder freilich gibt es Oasen, in die Luten und Uschi einsam-gemeinsam abtauchen – zum Beispiel in zwei der schönsten und innigsten Balladen des Jazz, übersetzt in die persönliche Sprache des Duos und zugleich angefüllt mit einer Sensibilität, Tiefe und schließlich auch Dramatik, wie wir sie von einer Billie Holiday kennen. Zwischen dem Refugium in Bohnsdorf und dem Rampenlicht auf der Bühne – Power und Tristesse, Schmerz, Qual und Überschwang. Pure Erotik blitzt auf mit inbrünstigen Schreien ebenso wie eine beinahe unschuldig anmutende Schönheit des reinen Tons. Lebenslust und Klagegesang und die Ergriffenheit über das Wunder unserer Existenz, wie beim beinahe kindlichen Staunen über das unerwartete Auftauchen eines Tieres namens Thar.
Die eigene Prosa von Luten und Uschi entwickelt sich eher aus dem Vorsprachlichen, findet ihren Weg zu Miniaturen, die improvisierten Lautgedichten ähneln – eine Ebene des miteinander Vertrautseins, die der Worte gar nicht bedarf, die sich wie selbstverständlich in klingende Mosaiksteine ergießt. Musik im Spannungsfeld von Weinen und Lachen, von Zufälligem und Geplanten, von Geräusch und Belcanto, von frechen Vokalisen und ergreifenden Verszeilen: „The greatest thing you’ll ever learn, is just to love and be loved in return.“ Bert Noglik
EN
A Résumé – A View of his long artist carrier. The last work of the east german saxophone giant Luten Petrowsky, in company with Uschi Brüning – vocals and Michael greener – drums.