CD jw 133 PETER EHWALD DOUBLE TROUBLE

PETER EHWALD tenor & soprano saxophones
ROBERT LANDFERMANN double bass
ANDREAS LANG double bass
JONAS BURGWINKEL drums
DE
DIE KRAFT DER ZWEI BÄSSE
Berlin, Weimar, Köln, London und New York: Das sind die zentralen Verweilstationen in den Lehr- und Wanderjahren des Saxofonisten und Komponisten Peter Ehwald bis zu seiner Rückkehr nach Berlin 2007, wo er im Jahr 1979 geboren wurde. Etappen auf dem Weg zum Ich, Erfahrungssammelpunkte, Kontakthöfe und Auftrittsgelegenheiten. Eine musikalische Familie, Texas-Tenor in der Wohnung des Amerikaners Mack Goldsbury in Fürstenwalde, deutsche Musikhochschulen, die britische Royal Academy of Music, das City College im Big Apple und die Universität des Lebens, Lehrer wie Claudius Valk, Julian Argüelles, Iain Ballamy, Stan Sulzman oder Rich Perry, tolle Leute, charismatische Typen, Initiationserlebnisse. Nach Jahren des Inputs dann der Umschlagpunkt. Genug eingetrichtert, time to go.
„Osmose funktioniert nur bis zu einem gewissen Punkt“, beschreibt Peter Ehwald seine Ankunft im Alltag eines freien Musikers und das sichere Gefühl, von nun an seinen Weg selber finden zu können. Partner suchen, Mitspieler, Gleichgesinnte. „Ich möchte nicht mitteilen, dass ich viel John Coltrane und Joe Lovano gehört habe. Ich möchte Empfindungen teilen.“ Stefan Schultze, Benedikt Jahnel, Arthur Lea, der belgische Gitarrist Frederik Leroux, die Bands Paragon, schultzing, Oktoposse, das Backyard Jazz Orchester und das Lernen, in eigenen Konzepten zu denken mit all den Altvorderen im Kopf.
Berlin als Basis für immer neue Versuchsanordnungen, die zurück in die Welt führen. Peter Ehwald ist mehr als ein Drauflosspieler. Bei ihm ist Spontaneität stets gepaart mit einem stark ausgebildeten Konzeptdenken. Bloße Verfeinerungen des in der sogenannten amerikanischen Oktoberrevolution des Jazz kreierten auswuchernden Solospiels genügen ihm nicht. Geschichte hat stattgefunden und kann nicht endlos wiederholt werden. Peter Ehwald gehört in Bezug zum damaligen Aufbruch zur Enkelgeneration. Er reflektiert viel über das, was sein Eigenes sein könnte, sucht nach einer jeweiligen Idee, die erst ein Album rechtfertigt. Powerplay und Muskelspiel sind zu wenig. Stilmittel sind neu zu kalibrieren, das macht diese Musik zu einer von heute: relevant, glaubwürdig und authentisch.
„Mich interessieren Kombinationen von Musikern, die einen starken Klang hervorbringen“, beschreibt er seine Suche nach dem, was sich vom Mainstream abheben soll. Oft fand er es in Konstellationen, deren Grundideen er mit anderen teilte und entwickelte. Das Quartett Double Trouble aber ist ganz sein Ding. Lange schon hatte er die Idee einer Melange von modernem Jazz, Kammermusikalischem und Indierock im Kopf. Dann fand er die Idealbesetzung, mit der er diese Intentionen und diesen Sound verwirklichen konnte: „Ich will etwas Wildes ausleben und gleichzeitig schöne Klänge realisieren, warm, kontrapunktisch, durchaus frei, befreit, aber doch sehr durchkomponiert.“
Mit dieser CD nun legt Peter Ehwald das Dokument dieser Ankunft vor. Sie stellt eine erste reiche Ernte dessen dar, was komplett seinem Ich als Künstler entspricht. Zehn in sich schlüssige Stücke, ungeschwätzig, powervoll, nuancenreich. Ein Statement des Erreichens eines neuen Levels. Hier hat einer den Punkt gefunden, von dem aus es weitergehen sollte. Durchdacht und kontrolliert ist das, doch ebenso vital und dringlich. Absprungrampen für die Solisten sind klug gebaut, der Gesamtklang ist stimmig und originär, Vorbilder schimmern durch, doch diese Band spricht mit eigener Stimme.
Ein starkes Gerüst steht. Das Fehlen der Akkordinstrumente Klavier und Gitarre schafft Räume, die nicht zugestellt sind, und ermöglicht die improvisatorische Ausdeutung der Ehwald-Kompositionen. Mehr als nur Themen hat er notiert, vielmehr Formen, die zu füllen sind. Die wenigsten Stücke sind frei improvisiert. In Gent öffnet dem Saxofonisten gitarrenähnliche Linien, Speed Dating ist eine furiose Punknummer, Bohdan rückt den Drummer ins Zentrum und Bass Ticket, das einzige Stück, auf dem Ehwald nicht Tenor-, sondern Sopransaxofon spielt, war ursprünglich eine Hörspielmusik zum Thema Busfahren in London zur Zeit der gewaltsamen Anschläge. Lehrseitenballade basiert auf den Leersaiten des Kontrabasses, Double Trouble ist ein richtiger Theme-Song und Teheran eine abgezockte Neukomposition auf Billy Strayhorns Isfahan aus Duke Ellingtons Far East Suite.
Die CD ist konzis konzipiert. Die durchdachte Dramaturgie verwechselt Abwechslungsreichtum nicht mit Beliebigkeit. Diese Band hat ihren markanten Ton gefunden, mit dem sie fintenreich spielt. Ihr Gestus setzt auf die Freiheit des klassischen Saxofontrios. Die Kraft der zwei Bässe aber erhöht Druck und Dringlichkeit dieses Dreamteams. Andreas Lang bringt das Erdige, Robert Landfermann steuert Improvisationstechniken jenseits des Jazzidioms bei: zwei Pole, die sich ideal ergänzen und die enorme Livepräsenz von Double Trouble steigern. Jonas Burgwinkels Drumming ist fantasievoll, unvorhersehbar und energetisch. Sein Beckensound ist leicht und deckt die Bässe nicht zu. So werden Räume geschaffen, genutzt und ausgeschritten. Der Kontext ist ideal für Peter Ehwalds vielfältiges Saxofonspiel, das in seinen diversen Facetten vor allem deswegen so fasziniert, weil es plausibel ist. Unkostümiert meint hier einer, was er spielt. Diese Geschichten überrumpeln nicht, sie überzeugen den Hörer, weil sie glaubwürdig sind. Dieser Saxofonrhapsode erreicht seine Adressaten, weil er ihnen etwas zu sagen hat und weil ihm die Ideen nicht ausgehen. Die geben dieser Band Futter und Futur. Ulrich Steinmetzger

EN
DOUBLE(D)-BASS POWER
Berlin, Weimar, Cologne, London and New York: These are the most important places of abode in the Journeyman Years of saxophone player and composer Peter Ehwald prior to his return to native Berlin in 2007, where he was born in 1979. These places indicate stages on the pathway to his Self, points in time and place to gain experience, contact zones and chances to perform. A musically receptive family, Texas-Tenor in the Fürstenwalde apartment of American Mack Goldsbury, German conservatories, the British Royal Academy of Music, the City College at the Big Apple and the university of life as well, teachers like Claudius Valk, Julian Argüelles, Iain Ballamy, Stan Sulzman or Rich Perry, stunning and charismatic people, initiation-like experience. Finally, after years of taking-in, here comes the point of change: he has funneled enough, it’s time to go.
„It’s only up to a certain point that osmosis works“. This is Peter Ehwalds description of his arrival in the everyday life of a freelanced musician and the sure and secure feeling to – from now on – find his way on his own. Looking for musical partners, fellow players, kindred spirits. „I do not want to communicate that I have listened quite a bit to John Coltrane and Joe Lovano. I want to communicate feelings.“ Stefan Schultze, Benedikt Jahnel, Arthur Lea, guitar player Frederik Leroux from Belgium, bands like Paragon, schultzing, Oktoposse, Backyard Orchestra. It is all about learning to think within one’s own concepts and – at the same time – bearing all the ancestors in mind.
Berlin provides the basis for constantly new experimental set-ups leading back into the world. Peter Ehwald is more than somebody who just blasts away. His spontaneity is always bound to strong conceptual reasoning. It would not satisfy him to just polish the rampant solo play fashionable since the so-called American October Revolution in jazz. The past is past and cannot be repeated. Seen with regard to the emergence of those days, Peter Ehwald belongs to the generation of its grand-children. Much is he reflecting about what could be his own. He is constantly looking for an idea which would justify the recording of a CD. Powerplay and flexing one’s muscles would not suffice. It is all about gauging anew stylistic means; this is what makes this music a contemporary one: relevant and authentic.
„I am interested in musicians who are able to create a strong sound“, Peter Ehwald says about his search for what is supposed to contrast with the mainstream. He often found it within constellations in which he could go with the basic idea and nurture it. Now, the Double Trouble quartet is completely his own. For a while already, he had been pondering about blending jazz, chamber music and indierock. Finally, he found the ideal line-up to bring this idea and sound to fruition: „I want to act out something wild and create beautiful sounds at the same time; warm, contrapuntal, free indeed and liberated, yet still thoroughly composed.“
Peter Ehwald now presents the document of this arrival with this CD, a first and rich harvest of all the things completely his own as an artist. It consists of ten convincing pieces, non-prating, powerful, and rich in nuances. Here, someone arrived at a point from which he should continue. Everything is well conceived and controlled, yet vital and emphatic. The platforms for soloistic take-offs are well constructed, this band sounds both original and coherent, even though role models shimmer through, and yet this band talks in a language of its own.
There is a strong structure to rely on. Free space is created because there is no chordal instrument like piano or guitar which allows for the improvisational interpretation of Ehwald’s compositions. He has not just written down themes but forms that have to be filled. Only a very few pieces are freely improvised. In Gent provides the Saxophone player with room for guitar-like lines. Speed Dating is punk in furioso, Bohdan features the drummer and Bass Ticket – the only piece in which Ehwald does not play the Tenor but Soprano saxophone – originally used to be music for a radio drama about taking the bus in London at the time of the violence.
Lehrseitenballade is based on the open string of the double bass, Double Trouble is a true theme-song and Teheran comes aloof as a new composition of Billy Strayhorn’s Isfahan from Duke Ellington’s Far East Suite.
The CD has been concisely designed. It’s well thought dramaturgy does not confuse variety with arbitrariness. This band has found its distinctive tone, and it does play with it skillfully. Its attitude relies on the liberties of the classic saxophone trio. Yet, the double(d)-bass power boosts both the empathy and force of this dream team. Andreas Lang contributes earthiness, Robert Landfermann comes up with improvisational techniques from far beyond of the jazz idiom: they are two poles ideally complementing each other, enriching the enormous live impact of Double Trouble. Jonas Burgwinkel’s drumming is very imaginative, unpredictable and energetic. Light is his sound on the cymbals; it does not interfere with the basses. This way, space is created, used and measured. This provides the ideal context for Peter Ehwald’s diversified play on the saxophone which is so convincing because it does make sense. Here, somebody means what he plays; he is not putting on a mask. His stories do not take the listener by surprise, and they convince him because they can be trusted. This rhapsodist on the saxophone does reach his addressees because he has got something to tell them and is never short on ideas. It is these which bestow this band with food and future. Ulrich Steinmetzger / Translation: Thomas Brückner

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