CD jw 229 COMMON GROUND
ORIMUSIC

SEBASTIAN GILLE tenor & soprano saxophones
ACHIM KAUFMANN piano
MATTHIAS AKEO NOWAK double bass
BILL ELGART drums

EN
Common Ground plays music that pushes into new areas, preserving the commitment to expand feel, harmony and pulse. Matthias Akeo Nowak’s new album ORIMUSIC features compositions of all four band members, inventing sound narratives with high intensity and a sovereign, calm fire. The playful nuances of their collective improvisations come into their own and the long road Common Ground has travelled can be heard. Stefan Hentz
DE
Common Ground, der gemeinsame Nenner, ist eine vielgestaltige Improvisationsmusik, die radikal ins Neue und sehr Persönliche drängt, ohne sich vom Tafelsilber des Jazz, vom Bekenntnis zu einem erweiterten Verständnis von Harmonie und Puls zu distanzieren. Bei den Aufnahmen zu ORIMUSIC, dem neuen Album von Matthias Akeo Nowak, kommen all die spielerischen Nuancen zur Geltung, in denen der weite Weg zu spüren ist, den Common Ground in der Zwischenzeit zurückgelegt hat. In den neun Kompositionen spinnen sie aus den verschiedenen Fäden ihrer Musik einmal mehr dichte Klangerzählungen von amtlichem Rang, von hoher Intensität und einem ganz einzigartig souveränen, ruhigen Feuer. Stefan Hentz
Langer Text:
Es war 2011 an einem Montagabend in Hamburg, dass sich Matthias Akeo Nowak und Sebastian Gille beim wöchentlichen Jazzdate im Hafenbahnhof, unten am Elbufer in Altona, zum ersten Mal begegneten. Der Hafenbahnhof ist ein ganz besonderer Ort für die Hamburger Jazzszene, ein wie vergessen wirkendes, winziges, altes Gebäude zwischen lauter überdimensionierten, modernen Nutzbauten an der Elbuferstraße, und einer der spannendsten Orte für Jazz in der Hansestadt. Einmal in der Woche passierte hier aktueller Jazz – Sebastian Gille, der damals in Hamburg lebte, spielte hier häufig, doch schon damals war zu spüren, dass er an einem Punkt angelangt war, der ihn aus der kleinen Hamburger Szene herausführen würde. Sein Sound auf dem Tenorsaxofon ist außergewöhnlich, immer etwas heiser, aber voller Wärme, sehr beweglich, das schon, doch zurückgenommen und ökonomisch, jeder Ton ist handverlesen, keiner soll zuviel sein. Schon damals vereinte Gille Virtuosität mit Ökonomie, Eigensinn mit klanglicher Ökologie und das Zusammenspiel mit Matthias Akeo Nowak, der mit gleicher Überzeugungskraft das Improvisationsgeschehen mit dem wuchtig sonoren Klang seines Instruments grundiert, wie er an anderer Stelle die Spannung zwischen den Impulsen seiner Mitspieler weiter auflädt, funktionierte so gut, dass die beiden beschlossen, weiter zusammenzuarbeiten.
Einige Jahre später, im Mai 2016, standen Nowak und Gille in Köln mit einem Quartett in einem Raum, den man auf der entgegengesetzten Seite des Raumqualitätskontinuums verorten würde: im Kammermusiksaal des Deutschlandfunk, einem schönen, gepflegten Raum mit hervorragenden Klangeigenschaften und ebensolcher Ausstattung, einschließlich eines erstklassigen Flügels. Am Flügel saß Achim Kaufmann, geboren 1962 in Aachen, Preisträger des Deutschen Jazzpreis 2015, ein herausragender und außergewöhnlich individualistischer Pianist, der im Spannungsfeld zwischen Jazz, Neuer und Improvisierter Musik, zwischen Experiment und Traditionsbewusstsein, Stringenz und Fabulierfreude einen ganz eigenen Weg beschreitet, und am Schlagzeug der 1942 geborene Bill Elgart, ein Veteran der Jazzmoderne, der in den frühen 60er-Jahren zu der Gruppe von Jazz-Avantgardisten um Carla und Paul Bley gehört hatte, seit langem in Deutschland lebt und damals noch am Jazzstudiengang in Würzburg lehrte: sie machten das Mehrgenerationen-Quartett komplett. COMMON GROUND, das Album, das den gleichen programmatischen Namen trägt, den auch das Quartett seitdem angenommen hat, umriss das Feld, das Nowak, Gille und ihre beiden Wunschpartner Elgart und Kaufmann bis heute bestellen. COMMON GROUND, der gemeinsame Nenner, ist eine vielgestaltige Improvisationsmusik, die radikal ins Neue und sehr Persönliche drängt, ohne sich vom Tafelsilber des Jazz, vom Bekenntnis zu einem erweiterten Verständnis von Harmonie und Puls zu distanzieren.
Bei den Aufnahmen zu ORIMUSIC, dem neuen Album, haben die vier Musiker auf die klangtechnische Qualität des Kölner Loft gesetzt, sehr zu Recht, denn nur so kommen all die spielerischen Nuancen zur Geltung, in denen der weite Weg zu spüren ist, den COMMON GROUND in der Zwischenzeit zurückgelegt hat. In den neun Kompositionen, von denen jeweils drei aus den Federn von Nowak und Kaufmann stammen, während Gille zwei Stücke zum neuen Repertoire und Elgart ein weiteres beiträgt, spinnen sie aus den verschiedenen Fäden ihrer Musik einmal mehr dichte Klangerzählungen von amtlichem Rang, die strotzen von Intensität und einem ganz einzigartig souveränen, ruhigen Feuer. Mal wird es offener, assoziativer, mal flirten sie mit Wildnis und Atonalität, schichten Dissonanzen und Alterierungen, mal scheint es, als stünden sie gemeinsam auf der Bremse, ließen die Pendel ins Balladeske schlagen und dämpften die dynamische Bewegung fast bis zur stillen Raserei. Doch dann wieder lassen sie sich von der inneren Logik ihres Zusammenspiels auf die Seite der Traditionellen Werte ihrer Musik ziehen, zu swingendem Puls, aufgeladenen Harmonien, anrührenden Hooklines, grad so, als sei diese Musik an einem Punkt angelangt, wo sie heiß und kalt versöhnen kann, Ekstase und Askese, den Schrei höchster Ausdruckskraft und den leisen Nachhall der Töne. Stefan Hentz

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