2-CD Phil 06040 MARTIN STEGNER
JOHANN SEBASTIAN BACH 1685 – 1750
SUITES FOR VIOLONCELLO SOLO
NR. 1-6 BWV 1007-1012 FOR VIOLA
MARTIN STEGNER viola
GESTATTEN SIE MIR EIN PAAR PERSÖNLICHE ANMERKUNGEN:
Für mich ist die Musik Bachs das Vollkommenste, was jemals komponiert wurde.
Lange habe ich mich nicht getraut, diese Musik öffentlich zu spielen, zu großen Respekt hatte ich davor, denn es gibt Millionen von Interpretationsmöglichkeiten- welche ist nun die Richtige? Gibt es in der Musik überhaupt richtig und falsch?
Bei den Cellosuiten ist kein einziger Ton zu viel, keiner zu wenig: Diese Musik ist absolut rein.
Unzählige Stunden verbrachte ich mit den Suiten, an jedem Tag empfand ich sie anders. Hatte ich mich beim Üben aufgenommen, so fand ich am anderen Tag, dass man das Stück so nicht interpretieren darf und kann. Bach kommt mir immer mehr wie ein unlösbares Rätsel vor, es gibt viele Momente, wo man darüber zutiefst verzweifelt ist, aber ich wurde immer süchtiger, so dass mir ein Tag ohne Bach fast wie ein Tag ohne Wetter vorkommt.
Natürlich gibt es Sonnentage aber auch viele trübe Tage und Wochen, manchmal ist man verzweifelt: beim Anhören der Aufnahmen denke ich, was habe ich denn nur monatelang geübt???
Ich habe mich bei der 6. Suite für die Transposition eine Quinte tiefer nach G-Dur entschieden – ursprünglich für ein 5-saitiges Cello komponiert, würden viele Passagen so hoch, dass der Charakter der Bratsche absolut verloren geht: sie klingt dann wie eine sehr schlechte Geige, – zumindest mein Instrument. Bearbeitungen sind immer ein Kompromiss, ich halte diese Variante für den besten.
Warum nun jetzt eine Aufnahme? Die sechs Suiten bereichern mein Leben und machen mich froh, und ich möchte meine Freunde und Hörer daran teilhaben lassen!
Diese Aufnahmen sind ohne Tonmeister entstanden, ich gesellte mich mit meiner Bratsche und vier Mikrofonen in den Saal und spielte. Niemand war da, der uns korrigierte: ich war allein mit meiner Seele, meinen Ohren und der Musik. Jedoch ist eine Aufnahme immer nur ein Abbild eines beschränkten Moments der Inspiration und Interpretation.
Jeder Tag ist anders und hat einen anderen Klang. Ich werde den Kopf schütteln und sagen, dass man Bach so nicht spielen kann. Und wie wird es morgen sein?
Martin Stegner – Berlin, 29. Oktober 2020
—
EN – Info
His first teacher was his father, who gave him his first violin lessons when Martin Stegner was eight. After studying with Roman Nodel at the Mannheim Musikhochschule, he switched to the viola and then went for training to Neithard Resa and Wilfried Strehle in the Berliner Philharmoniker’s Orchestra Academy. His first engagement was in 1993, as principal viola of Berlin’s Deutsches Symphonie-Orchester. Three years later he moved to the Berliner Philharmoniker.
Martin Stegner performs as a soloist and chamber musician in Europe, America and Japan. He also works with the Gustav Mahler Jugendorchester and the Orquesta Juvenil Centroamericana and has given courses at Yale University and the Academy of Music Hanns Eisler in Berlin. He is actively involved in expanding the viola’s repertoire. Together with the pianist Tomoko Takahashi, he has released several highly acclaimed CDs of transcriptions of lieder by Robert Schumann. He has been a keen jazz musician since his youth, and has appeared at numerous festivals, performing with artists such as Herbie Mann, Diane Reeves, Thomas Quasthoff and Nils Landgren.
A co-founder of the Berlin Philharmonic Jazz Group, he founded the ensemble Bolero Berlin in 2008 in which he and soloists of the Berliner Philharmoniker dedicate themselves to South American music. In 2015, an album was released together with the German/Persian singer Cymin Samawatie on the ECM label. Martin Stegner is involved in other projects with, among others, Simon Stockhausen and the Chinese sheng virtuoso WuWei. His work has been documented on 18 CDs.