CD jw 250 HÜBSCH – SCHUBERT – WIERBOS
THE LONGRUN DEVELOPMENT OF THE UNIVERSE #6
FOR ALBERT
CARL LUDWIG HÜBSCH tuba
MATTHIAS SCHUBERT tenor saxophone
WOLTER WIERBOS trombone
DE
GLÜCKWUNSCH!
Sie halten den siebenten* und wahrscheinlich letzten Tonträger des Trios Hübschs Langfristige Entwicklung des Universums in den Händen.
Seit über zwanzig Jahren entwickeln wir unsere Musik anhand von Improvisation und Kompositionen aus meiner oder auch aus fremden Federn. Zur Musik Misha Mengelbergs zum Beispiel hatten wir einen direkten Zugang: Durch Wolter Wierbos‘ Mitgliedschaft im ICP-Orchestra konnten wir uns unbekümmert und doch nah am Komponisten Mengelberg mit dessen Musik auseinandersetzen (siehe unsere vorherige CD auf jazzwerkstatt: For Misha).
Ein Gegenstück zum ‚holländischem Humor‘ in der Musik fanden wir in der ‚deutschen Tiefgründigkeit‘ Albert Mangelsdorffs, dem wir diese CD widmen. Informationen aus erster Hand lieferte diesmal Matthias Schubert, hatte er doch von 1986 bis 1990 im Albert Mangelsdorff Quartett (Albert Mangelsdorff, Matthias Schubert, Dieter Ilg und Wolfgang Haffner) bzw. Quintett (gleiche Besetzung plus Wolfgang Dauner) gespielt.
For Albert also. Für mich selbst öffnete Mangelsdorff mit den Trilogue-Aufnahmen (Albert Mangelsdorff, Alphonse Mouzon, Jaco Pastorius) vor Jahren eine Tür in den Jazz.
Doch bei allem Respekt: Die Stücke von Albert Mangelsdorff sind natürlich in unseren Händen nicht vor freudvoller Echtzeitbearbeitung sicher. Sie dienen als Ausgangspunkte für Ausflüge, als geheime doppelte Böden und als Grund, alles stets anders, – verflochten mit unserer eigenen Musik – ausdrücken zu wollen. Und wenn unsere drei improvisatorischen Stimmen das Ganze mit Humor und Leichtigkeit beatmen, ist Albert Mangelsdorff unser vierter Mann.
So beginnt der Bird Pool paradoxerweise mit einer Ameise, die einem Elefanten auf den Zeh tritt. Ansonsten ist er aber kompositorisch ganz dem gefiederten Volk gewidmet. Vogelstimmentranskriptionen oder -verarbeitungen sind Teil dieser ad hoc arrangierten Suite, sei es nun eine Meise am Fenster oder eine Amsel vom Dach, die vor Jahren in Köln zu gesanglicher Höchstform auflief und mich beim Transkribieren zum Schwitzen brachte. Auch ein ganz entfernter CkukCkuk ist mit von der Partie, mit einkomponiertem Dopplereffekt. Dazu kommen Viren aus dem Mengelberg- und aus anderen, früheren Programmen, kleinste Zitate, die vielleicht nur wir drei erkennen, die aber blitzartig eine bestimmte Hintergrundstrahlung auslösen oder uns einfach selbst erfreuen.
Die Abfolge des geschriebenen Materials ergibt sich im Spiel, alles steht zu jedem Zeitpunkt und bedingungslos zur Debatte. Ist das eigentlich schon freie Improvisation?
Dieses Trio verwirklicht das, was ich mir schon immer gewünscht habe: Jede Musik ist möglich (Ich denke an den Satz „Seid ihr die good old boys?“ aus dem Film Blues Brothers). Die zwanzigjährige Zusammenarbeit des Trios zeigt ihre Früchte. Blindes Einverständnis, für jedermann/jedefrau nachvollziehbar.
Einige Worte zu den weiteren Stücken: Sonntagsgrau ist ein Stück von Albert Mangelsdorff, zu dem der Titel alles hergibt, was es dazu zu schreiben gibt.
Osti-Nato ist eine neue Version eines älteren Stückes, das das Thema Ostinato, Wiederholung thematisiert. Auch Geschichte scheint sich in Variationen zu wiederholen. Der russische Überfall auf die Ukraine ‚inspirierte‘ mich zu dieser Neuauflage meiner Komposition. Sollte Musik überhaupt auf politische Ereignisse reagieren? Und wie? Kann sie sich der aktuellen politischen Lage entziehen? –––
Ach ja, mitten im Stück hat sich Brozziman von Misha Mengelberg als Virus eingeschlichen, was man leider inzwischen als Abschiedsgruß an das deutsche Freejazz-Urgestein Peter Brötzmann (gest. 22.06.2023) interpretieren kann.
Hot Hut ist wiederum von Albert Mangelsdorff. Es sei hier verwiesen auf die wunderbaren Duo–Aufnahmen von Mangelsdorff und Lee Konitz. Im Thema hören Sie ausschließlich Mangelsdorff’sche Noten, während in der Improvisation der Prozess der Aneignung des Stückes durch die Langfristige Entwicklung des Universums alias Hübsch, Schubert, Wierbos sehr plastisch nachzuhören ist.
Eine zweite Version von Ant Steps On An Elephant’s Toe dokumentiert, dass die Zeiten sich ändern und mit ihnen die Noten, die Musiker und die Zuhörerinnen und Zuhörer, denen an dieser Stelle zutiefst gedankt sei. Die Musik entsteht in Ihnen. *sechs Audio-CDs und eine DVD Carl Ludwig Hübsch
EN
CONGRATULATIONS!
You hold in your hands the seventh* and most likely last recording of the trio Hübsch’s Longrun Development of the Universe.
For over twenty years we have been crafting our music based on improvisation and compositions from my own or other people’s pens. For example, we had a very close connection to the music of Misha Mengelberg: thanks to Wolter Wierbos’ many years as a member of the ICP Orchestra, we were comfortable exploring the music of the composer Mengelberg in his absence and yet somehow felt close to him (see previous CD on jazzwerkstatt: For Misha).
In the ‚German profundity‘ of Albert Mangelsdorff, to whom this CD is dedicated, we found a suitable counterpart to ‚Dutch humor‘ and lightness. Matthias Schubert provided first-hand information this time, having played in the Albert Mangelsdorff Quartet (Albert Mangelsdorff, Matthias Schubert, Dieter Ilg and Wolfgang Haffner) and Quintet (same line-up plus Wolfgang Dauner) from 1986 to 1990.
For Albert then. For me, Mangelsdorff opened a door to jazz years ago with the Trilogue recordings (Albert Mangelsdorff, Alphonse Mouzon, Jaco Pastorius)
But with all due respect: Albert Mangelsdorff’s pieces are of course not safe from joyful real-time editing in our hands. They serve as starting points for excursions, as secret compartments and as impetus to always do everything in a completely different, unheard-of and new way. That’s why they are inextricably linked to our own pieces and our three improvisational voices.
Paradoxically, Bird Pool begins with an ant stepping on an elephant’s toe. Otherwise, however, the composition is entirely dedicated to the feathered folk. Bird song transcriptions or adaptations are part of this ad hoc rearranged suite, be it a Meise am Fenster (titmouse at the window) or a Amsel (blackbird) from the roof, which reached top of its singing form years ago in Cologne and made me sweat while transcribing it. A very distant CkukCkuk (german Kuckuck, cuckoo, spelled creatively) is also included, with a composed Doppler effect. There are also so called viruses from the Mengelberg and other earlier programs, tiny quotations that perhaps only the three of us recognize, but which trigger a certain flickering background radiation or simply amuse us.
As I said, the sequence of the written material is a result of the process of playing, everything is up for debate at any time and unconditionally. Is that actually free improvisation?
This trio realises what I have always dreamed of: any music is possible (I’m thinking of the line „Are you the good old boys?“ from the movie Blues Brothers).
Twenty years of collaboration are bearing fruit. Blind trust, obvious for everyone.
A few words about the other pieces: Sonntagsgrau by Albert Mangelsdorff. The title says it all: Sunday gray.
Osti-Nato is based on an older composition which addresses the issue of repetition (ostinato). Since history also seems to repeat itself in variations, the Russian invasion of the Ukraine ‚inspired‘ me to write this new version of the piece. Should music react to political events at all? And how? Can it escape the current political situation? —
Oh yes, Brozziman by Misha Mengelberg has crept into the mix, which unfortunately could now be interpreted as a farewell greeting to the German free jazz legend Peter Brötzmann (deceased 22.06.2023).
Hot Hut is again a composition by Albert Mangelsdorff. Here we look back on the wonderful duo recordings by Mangelsdorff and Lee Konitz. In the theme you hear only Mangelsdorff’s notes. In the following improvisation the process of the piece’s appropriation by the Longrun Development of the Universe aka Hübsch, Schubert, Wierbos can be heard vividly.
A second version of Ant Steps On An Elephant’s Toe documents that times are changing and with them the notes, the musicians and the listeners, to whom we would like to express our deepest gratitude. The music becomes real in you. *six audio CDs and one DVD Carl Ludwig Hübsch